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Text von Sharon Chaffin


Eltersdorf hat rund 3.600 Einwohner, eine Arztpraxis ist da wichtig. Der Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Frieser, der die Praxis im früheren Rathaus, dem sogenannten Egidienhaus, seit mehr als fünf Jahren führt, ist aber im Rentenalter, und möchte sich langsam aber sicher aus dem Berufsleben zurückziehen.

Was er auf keinen Fall wollte: Dass seine Patienten dann ohne Hausarzt dastehen, viele hatten ihn auch schon gefragt, wie es in der Praxis weitergeht. Deshalb hat er sich frühzeitig um eine Nachfolge bemüht. Das Problem: Alle Interessenten wollten den Kassensitz zwar kaufen, die Praxis in der Eltersdorfer Str. 32 dann aber ins Erlanger Zentrum verlagern und den Standort in Eltersdorf schließen.
Seit mehreren Jahrzehnten hat Eltersdorf einen Allgemeinarzt. "Es war meine größte Sorge, dass die Eltersdorfer ohne medizinische Versorgung sind", erzählt der promovierte Mediziner, "vor allem, weil auch viele Ältere zum Teil mit Rollator in die Praxis kommen, die nicht einfach mal schnell nach Tennenlohe, Bruck oder Fürth fahren können".
Das müssen sie jetzt auch nicht. Denn Frieser hat mit dem Praxisverkauf an das Medizinische Zentrum Erlangen (MZE) eine Lösung gefunden, die seiner Meinung nach für alle die Beste ist: für die Patienten, die weiterhin in Eltersdorf behandelt werden, und für ihn, weil er noch mindestens drei Jahre weiter praktizieren und zugleich kürzer treten kann.
Denn nun muss sich der Arzt nicht mehr um Bürokratie wie Abrechnungen und Dokumentationen kümmern, sondern kann sich ganz auf das Medizinische konzentrieren.
Die anderen Aufgaben, vor allem Verwaltungsarbeit, übernehmen weitere Beschäftigte des MZE, weitere deshalb – weil auch Wolfgang Frieser nun bei Medizinischen Zentrum Erlangen angestellt und somit "nur" ein Mitarbeiter von mehreren Dutzenden ist.

Seit Anfang April 2023 gehört die Eltersdorfer Praxis mit derzeit rund 800 Patienten zum Medizinischen Zentrum Erlangen, für Frieser stand schnell fest, dass er den Sitz an dessen Inhaber und ärztlichen Leiter, MU Dr. Falk Stirkat verkaufen wird: "Er war der Einzige, der versprochen hat, die Praxis in Eltersdorf zu lassen." Zudem hat sich Stirkat, im Gegensatz zu anderen Kaufinteressenten, nicht vom geplanten Abriss des Egidienhauses, abschrecken lassen, erzählt Frieser.
"Auch da war Stirkat der Einzige, der das unternehmerische Risiko auf sich nimmt, dass man vielleicht in zwei, drei Jahren neue Räume suchen muss." Das Gebäude ist baufällig und wird abgerissen. "Es ist aber offen, wann das ist", sagt Frieser.
Sein Chef, Falk Stirkat, nickt zustimmend und berichtet in der Sache von guten Gesprächen mit der Stadt: "Wir werden das hinbekommen und wenn wir zwei Jahre lang im schlimmsten Fall zwei Container aufstellen müssen, aber wir werden für Eltersdorf einen Standort für die Praxis finden."
Ob und wie lang Frieser dann irgendwann in den neuen Räumen tätig sein wird, ist offen. Klar ist: drei Jahre mindestens ist er auf jeden Fall noch in der Praxis tätig, wahrscheinlich länger.
Zur Seite steht ihm die Assistenzärztin Dr. Behnoosh Rezvani. Die 31-jährige Iranerin aus Isfahan lebt seit zehn Monaten in Erlangen, in ihrer Heimatstadt hatte sie Medizin studiert, das MZE und die Eltersdorfer Praxis sind ihre erste Stelle. "Noch fällt mir die Kommunikation mit den Patienten ein bisschen schwer", sagt sie in einwandfreiem Deutsch, "aber ich lerne die Sprache".
Die Arbeit macht ihr Spaß, erzählt sie und lobt vor allem die Zusammenarbeit mit Frieser: "Er ist ein erfahrener Arzt, ich lerne jeden Tag von ihm, auch was das deutsche Gesundheitssystem angeht."

Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Reform dürfte das MZE nicht berühren. Der SPD-Politiker möchte sich neben einer Krankenhausreform, für die der Bund bis Ende April 2023 einen neuen Vorschlag vorlegen will, auch die sogenannten Medizinischen Versorungszentren vornehmen.
Im Kern soll damit verhindert werden, dass sich investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) immer mehr und immer rascher ausbreiten. Stirkat's Zentrum, dass seinen Hauptsitz in der Michael-Vogel-Str. 1b hat und Praxen verschiedenster Fachrichtungen in Erlangen und Erlangen-Höchstadt umfasst, ist jedoch inhaber- und nicht investorengeführt.
Seit 2012 sei es Investoren ohnehin nicht mehr erlaubt, sich in MVZ's einzukaufen, erläutert Stirkat. "Das Gesetz, das von Lauterbach vorgeschlagen wird, existiert schon seit mehr als zehn Jahren. Dass Lauterbach das jetzt als neu anpreist, ist etwas peinlich."

Der Unternehmer Stirkat, der Ende diesen Jahres 13 Praxen in der ganzen Region besitzen wird, kann die Gründe seiner Ärztekollegen gut verstehen, sich bei einem MVZ anstellen zu lassen: "Viele wollen heutzutage Teilzeit arbeiten und ihre Arbeit besser mit der Familie verbinden, manche wollen auch die Kosten und Verantwortung einer eigenen Praxis nicht tragen und für diese ist es ideal, sich einem Versorgungszentrum anzuschließen."
Die Befürchtung, kleinere, selbständige Praxen könnten mit der Konkurrenz durch MVZ's, die zur hausärztlichen Versorgung oft Internisten und Orthopäden anbieten, nicht mithalten, teilt Stirkat nicht.
"Es gibt in Erlangen bei fast allen Hausärzten und bei vielen Fachärzten Aufnahmestopp; sie haben alle genug Patienten, von nicht mehr mithalten können, kann da keine Rede sein."
Viel mehr profitieren die Patienten bei einem MVZ von einem großen Ärzteverbund: Es ist sehr gut, wenn jemand sehr rasch einen Termin bei einem Spezialisten bekommt, die Patienten sind sehr dankbar dafür, wenn sie krank sind und schnell etwas abklären können."

Wolfang Frieser jedenfalls musste nicht groß überlegen, seine Praxis an Stirkat und sein MZE zu übergeben. Frieser ist früher Rettungsdienst gefahren, hat Bereitschaftsdienste gemacht und war mehr als 30 Jahre selbständig, unter anderem in Nürnberg. Nun hat er einen Chef.
"Ja", sagt Wolfang Frieser, "das ist schon ungewöhnlich, jetzt einen eher jugendlichen Chef im Vergleich zu mir zu haben, das muss alles irgendwie verdaut werden, aber so geht es vielen Älteren, man muss irgendwann zu dem Schluss kommen, dass man nicht mehr der Jüngste ist und die Zeit weiter geht".